Vom Praktikanten zum Arbeitnehmer – wo klare rechtliche Grenzen in der Unternehmerpraxis leicht verschwimmen können
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SuscribirmeDer Oberste Gerichtshof von Murcia zieht klare Grenzen zwischen dem Umfang eines auf den akademischen Ausbildung- und Erfahrungsfortschritt abzielenden Praktikums und dem Charakter eines Arbeitsverhältnisses, welches auf die wirtschaftliche Gewinnerzielung zugunsten des Arbeitgebers gerichtet ist.
Am 14. März 2023 hat die Sozial- und Arbeitsrechtskammer des Obersten Gerichtshofs von Murcia (Tribunal Superior de Justicia, „TSJ“) in zweiter Instanz ein Berufungsurteil erlassen, welches bestätigt, dass das beklagte Unternehmen seine Praktikanten unter Konditionen beschäftigt und mit Aufgaben betraut, die den Umfang einer Praktikumsstelle deutlich überschreiten und somit bereits die rechtliche Würdigung eines vollumfänglichen Arbeitsverhältnisses verdienen.
Hintergrund
In mehreren Abteilungen eines Unternehmens, welches in der IT- Branche im Bereich der Forschung & experimentellen Entwicklung (F&E) von Software, Hardware und Forschungsaufgaben für nationale und internationale Unternehmen und Institutionen tätig ist und sich ebenfalls an europäischen Forschungsprojekten beteiligt, befanden sich seit Januar 2016 mehrere Personen in Beschäftigung als Praktikanten.
Bei den in der Marketing- & Kommunikations-, Soft- und Hardwareabteilung beschäftigten Praktikanten handelte es sich um Studierende, Doktoranden und Auszubildende, die im Rahmen unterschiedlicher Praktikumsverhältnisse zahlreiche Aufgaben im Unternehmen übernahmen.
Nachdem die Arbeits- und Sozialversicherungsinspektion von Murcia („Inspección de Trabajo y Seguridad Social“) das Werk am 10.04.2016 besichtigte und die vorherrschenden Beschäftigungsverhältnisse der Praktikanten als Verstoß gegen Artikel 139 des Sozialversicherungsgesetztes („Ley General de la Seguridad Social“) und daher eine schwerwiegende Verletzung des art. 22.2 LISOS (Ley sobre Infracciones y Sanciones en el Orden Social) feststellte, leitete es ein Sanktionsverfahren gegen das Unternehmen ein zur Begleichung von Sozialversicherungsbeträgen. Die Inspektion stufte den Verstoß im Sinne der Artikel 22.2, 40.1 e) LISOS als schwer („Infracción grave“) ein und verhängte aufgrund der Anzahl von 11 betroffenen Arbeitnehmern ein Bußgeld von 34.386 Euro.
Der Verstoß und die verhängte Geldbuße wurden nun am 14. März 2023 nach durchlaufenem Anfechtungsprozess im zweitinstanzlichen Berufungsverfahren bestätigt.
Zu diesem Schluss gelangt das Gericht im vorliegenden Fall, in dem es herausstellt, dass der Rahmen der zulässigen Praktikumstätigkeiten bereits überschritten wird, wenn das Unternehmen für die Realisierung seiner wirtschaftlichen Aktivität auf die Arbeitskraft von Praktikanten angewiesen ist.
Wodurch unterscheidet sich ein Praktikums- von einem Arbeitsplatz?
Das Absolvieren eines Praktikums zielt in erster Linie darauf ab, einen Einblick in das Berufsbild zu bekommen und erste praktische Erfahrungen bei der Realisierung betrieblicher Aufgaben zu gewinnen.
Ähnlich wie in Deutschland können die Anlässe für das Absolvieren eines Praktikums sehr unterschiedlich sein. Daher kann ein Praktikumsvertrag – abgesehen von einigen im spanischen Arbeitnehmerstatut („Estatuto de los Trabajadores“) geregelten Ausnahmen einem Arbeitsvertrag sehr ähnlich ausgestaltet sein. Dennoch muss die Bildungs- und Schulungskomponente stets deutlich im Vordergrund stehen und die Praktikumstätigkeit entscheidend charakterisieren.
Wo fängt die wirtschaftlich rentable Dienstleistung eines Arbeitsverhältnisses an, wo hört der Ausbildungscharakter eines Praktikums auf?
Von dieser Position ausgehend, urteilt das Gericht, dass den Praktikanten Aufgaben übertragen wurden, die nicht dem bloßen Lern- und Ausbildungszweck einer Praktikumstätigkeit entsprechen. Vielmehr erledigten sie Arbeiten, die den Konditionen einer festen Arbeitsanstellung gleichkommen. Neben der Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Besuches der Arbeitsinspektion 31 Praktikanten, aber nur 27 fest angestellte Arbeitnehmer tätig waren, so dass die Beaufsichtigung seitens der Tutoren schon gar nicht in angemessener Weise wahrgenommen werden konnte, beanstandete das Gericht zudem weitere Faktoren:
Zum einen mussten die Praktikanten, in gleicher oder ähnlicher Weise wie die Arbeitnehmer, unentschuldigte Stunden nachholen und den gleichen Stundenumfang erfüllen. Selbst die Urlaubsperioden glichen einander. Zum anderen trugen die Praktikanten der Software-Abteilung die komplette Verantwortung für die Realisierung eigener Projekte, während es in der Hardware-Abteilung Tätigkeiten gab, die lediglich von Praktikanten wahrgenommen wurden.
Das Gericht stützt sich bei seiner Bewertung der vorliegenden Tätigkeitsverhältnisse zwischen Unternehmen und den Betroffenen nicht auf die rechtliche Ausgestaltung der zugrundeliegenden Praktikumsverträge, sondern auf die tatsächliche Situation in der Unternehmenspraxis (Arbeitsleistung der Tätigen für das wirtschaftliche Resultat des Unternehmens).
Im vorliegenden Fall urteilten die Richter, dass es sich um eine Verschleierung von vollwertigen für den Unternehmensbetrieb nicht verzichtbaren Arbeitsplätzen handelte, die von in Ausbildung befindlichen Praktikanten abgedeckt werden sollten.
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